Interview „Wir wollen weg von der Chemie!“

Interview mit Dr. Ralph Büchler zur Varroaresistenz 2033 Arbeitsgemeinschaft „Biotechnische Maßnahmen und Betriebsweisen“

"Wir wollen weg der Chemie!"

Vor einem Jahr schlossen sich europäische Imkerverbände im "Varroaresistenzprojekt" (VR33) zusammen. Ihr Ziel: Der Aufbau einer flächendeckenden Honigbienenpopulation mit Varroaresistenz durch gezielte Zucht und Verbreitung. Neben züchterischen Fragen spielen in diesen Projekt auch biotechnische Maßnahmen zur Varroabekämpfung eine wichtige Rolle.
Wir sprachen mit Dr. Ralph Büchler, dem Leiter der VR33-AG "Biotechnische Maßnahmen", über die Ausrichtung und Vorhaben dieser Gruppe.

Lieber Ralph, das VR33-Projekt möchte erreichen, dass in zehn Jahren in ganz Europa Honigbienen nur mit milder, medikamentenfreier oder sogar keiner Behandlung der Varroamilbe widerstehen können. Welche Rolle nehmen biotechnische Maßnahmen bei der Erreichung dieses Ziels ein?
Einer naturnahen Völkerführung unter Nutzung biotechnischer Maßnahmen kommt neben der Resistenzzucht und der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit entscheidende Bedeutung für den Erfolg des Projekts zu. Alle drei Bereiche gehen Hand in Hand, wenn wir resistente Populationen aufbauen möchten. Eine naturnahe Völkerführung mit biotechnischer Varroakontrolle schafft die Grundlage für eine gesunde und starke Überwinterung der Völker. Die Abhängigkeit von Medikamenten entfällt dadurch weitgehend und dies wiederum schafft die Grundlage, dass sich im natürlichen Paarungsgeschehen die Drohnen der gesunden und nicht wie heute zumeist der am intensiv behandeltesten Völker durchsetzen. Wir müssen uns vor Augen führen, dass weniger als ein Prozent aller Bienenvölker sorgfältig von Züchtern ausgelesen werden. Sie können durch ihre aufwändige Arbeit Bienen beispielsweise mit guter VSH-Veranlagung auslesen. Damit diese in der breiten Bienenpopulation wie die Hefe im Teig wirken können, müssen wir von dem regelmäßigen Medikamenteneinsatz wegkommen. Wenn die Winterbehandlung erstmal der Vergangenheit angehört, werden sich die Resistenzeigenschaften schnell verbreiten, so wie dies in vielen unbehandelten Bienenpopulationen inzwischen geschehen ist.  

Von welchen biotechnischen Maßnahmen ist dabei die Rede?
Zentrale Bedeutung kommt einem angepassten Brutrhythmus zu. Dazu gehört ein Brutstopp im Sommer, ähnlich dem natürlichen Schwarmverhalten, und eine sichere Brutfreiheit im Winter. Bei unseren ersten Treffen haben wir uns zunächst einen Überblick über die bereits praktizierten, gängigen biotechnischen Maßnahmen zur Varroabekämpfung verschafft. Es war beeindruckend, wie viel Erfahrung zu diesem Themenkomplex in unserer knapp dreißigköpfigen Gruppe vorhanden ist. Wir diskutierten verschiedene Methoden der Jungvolkbildung z.B. durch Ableger und Schwärme, aber ebenso Varroa-Eindämmungsmaßnahmen wie Drohnenbrutschnitt, die totale Brutentnahme – mit oder ohne Fangwaben-, das Bannwabenverfahren oder das Käfigen-und-Behandeln.

Also die bisherigen Klassiker…
Ja. Es kamen aber auch, zumindest für die deutsche Imkerschaft, jüngere Maßnahmen zur Sprache – wie zum Beispiel das Käfigen im Winter. In Polen ist diese Maßnahme bereits recht verbreitet, aber auch in Deutschland praktizieren bereits einige Imkerinnen und Imker mit langjähriger Erfahrung diese Methode. Auch gibt es in Deutschland an einzelnen Instituten erste Forschungsarbeiten zu diesem Thema. Ziel ist es, eine sichere Brutpause herzustellen. Es hat sich gezeigt, dass Völker, bei denen die Königinnen von Oktober bis Februar in speziellen Käfigen gehalten werden, im Frühjahr deutlich weniger Varroabefall aufweisen.

Was ist mit digitalen technologischen Bienenstock-Kontrollmöglichkeiten zur Varroabekämpfung oder Wärmebehandlungen wie der Bienensauna?
Natürlich interessieren uns auch Varroaeindämmungsmöglichkeiten mithilfe bestimmter technischer und auch digitaler Vorrichtungen. Beispielsweise die Wärmebehandlung würde darunterfallen und wurde in unserer Arbeitsgruppe auch bereits diskutiert. Ein Imker berichtete von seiner Erfahrung mit der Entmilbung von Brutwaben durch Wärmeeinwirkung. Er verfügt über einen speziellen Schrank, in den die Waben für vier Stunden eingeschoben werden. Nach vier Stunden sind alle Milben tot und die Brut kann zu gegebener Zeit normal schlüpfen. Das ist sicherlich interessant, und es gibt bestimmt noch viele weitere ähnliche Ansätze, bei denen man sagen kann: Für manche Imker ist es hilfreich, für andere nicht. Allerdings handelt es sich um Spezialmaßnahmen, die immer mit einem relativ hohen technischen und finanziellen Aufwand einhergehen. Für die breite Imkerschaft sind hingegen einfache Verfahren von viel größerer Bedeutung.

Zeichnen sich schon erste Schwerpunktsetzungen der Arbeitsgruppe ab?
Wir sind uns darüber einig, dass es zwar viele biotechnologische Möglichkeiten der Varroabekämpfung gibt, aber nicht alle davon für alle Betriebsgrößen geeignet sind.
In einem großen Betrieb zählt jede Minute und man muss anders auf Maßnahmen schauen als in einem kleineren Betrieb mit nur zehn Völkern. Ein konkretes Beispiel dafür ist die totale Brutentnahme: Das ist zwar ein wirksames Verfahren, kostet aber viel Zeit und ist deshalb für einen Betrieb mit 500 Völkern nicht geeignet. Als kleiner Imker hat man in der Regel mehr Freiheit und Flexibilität, um aufwändigere Maßnahmen durchzuführen und gegebenenfalls auch neue Verfahren entwickeln können, die später auch von größeren Betrieben übernommen werden können. Zudem haben kleine Betriebe oft auch mehr Interesse an der Selektion und Zucht ihrer Bienen, was bei größeren Betrieben oft zu kurz kommt. Wir beziehen daher grundsätzlich alle uns bekannten Maßnahmen, die in unterschiedlichen Betriebsgrößen zum Einsatz kommen, in unsere Diskussionen mit ein. Und wir sind froh darüber, dass sich das Spektrum nahezu aller bekannten Maßnahmen auch bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Arbeitsgruppe spiegelt. So ist in unserer Gruppe viel praktisches, eigenes Wissen vorhanden.

Und doch kann man sich ja angesichts der Vielzahl an Maßnahmen, nicht auf alle gleich zu Anfang fokussieren. Welche werden daher zuerst betrachtet?
Wir wollen zunächst Langzeiterfahrungen zum Winterkäfigen sammeln, die einzelnen Bannwabenverfahren näher untersuchen und möglichst optimieren – vor allem was das Zeitmanagement ihres Einsatzes anbelangt –, der Kombinierbarkeit verschiedene Methoden in Zusammenhang mit Umweltverhältnissen nachgehen und die Befallsskontrolle als wichtige Möglichkeit der Schadschwellenermittlung näher unter die Lupe nehmen. Darüber hinaus wollen wir Imkerinnen und Imkern Möglichkeiten aufzeigen, wie sie auf eine Winterbehandlung, z.B. mit Oxalsäure, verzichten können. Denn diese Behandlung schadet der Bienenbiologie sehr. Mit VSH-Königinnen und entsprechenden biotechnischen Maßnahmen braucht es diese Behandlung in der Regel nicht mehr.

Wie sieht das weitere Vorgehen zu diesen Themenfeldern aus?
Wir haben die Gesamtgruppe in vier kleinere Gruppen aufgeteilt, um diese Themen in Hinblick auf die damit verbundenen Herausforderungen bei der Völkerführung weiter zu diskutieren. Es konnten auch Personen benannt werden, die die weitere Arbeit in diesen Untergruppen koordinieren werden.

Wie können Imkerinnen und Imker, die nicht direkt in das Projekt eingebunden sind, von diesen Betrachtungen profitieren?
Unser Ziel ist, eine klare, verständliche Übersicht der Vor- und Nachteile sowie Herausforderungen verschiedener Maßnahmen zu erstellen. Anwenderinnen und Anwender können daraus dann die für sie geeignetste Methode auswählen. Wir werden sie soweit möglich auch bei der Durchführung jeweiliger Maßnahmen unterstützen und so zu einer nachhaltigen Verbesserung der Bienengesundheit beitragen. Die jeweils vorgestellten Maßnahmen sollen mit Forschungsdaten unterlegt werden, die wir perspektivisch mit Unterstützung der Bieneninstitute erheben wollen.

Gibt es denn bereits konkrete Pläne für Forschungsvorhaben?
Nein. Wir haben zunächst nur überlegt, welche Betriebe und Institute potenziell an Förderprojekten zur biotechnologischen Varroabekämpfung teilnehmen könnten. Es gibt aber noch keine konkreten Versuchspläne. Die einzelnen Institute haben aber ihre Bereitschaft signalisiert, mit Praktikern zusammenzuarbeiten, um gemeinsam zuverlässige Erfahrungswerte und große Menge validierbarer Daten für verschiedene Regionen und Betriebshintergründe generieren zu können. Einige der anwesenden Imker haben bereits signalisiert, dass sie für solche Förderprojekte zur Verfügung stünden. So zum Beispiel Ralf Geiger, der das vereinfachte Bannwabenverfahren anwendet und Fragen zur Varroabekämpfung mit Brutscheunen hat.

Wo siehst du die größten Herausforderungen auf dem Weg zur varroaresistenten Bienenpopulation?
Die eigentliche Herausforderung sehe ich darin, Imker für Veränderungen zu gewinnen. Wir haben bereits Bienen, mit denen man chemiefrei imkern kann, wir haben wesentlich verbesserte Betriebsweisen und die biotechnischen Maßnahmen zur Varroabekämpfung ohne Chemie sind inzwischen ausgereift. Jetzt braucht es eigentlich nur noch einen Bewusstseinswandel, eine neue Denkweise, um die Imkerei zukunftsfähig zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Imkerschaft seit Jahrzehnten darauf eingeschworen wurde, mit Medikamenten zu behandeln. Dieses eingefahrene Verhalten wollen wir ändern. Imkerinnen und Imker sind häufig sehr starke Charaktere mit unterschiedlichsten Motivationen und Eigeninteressen. Die gilt es zu verstehen und zu respektieren und im Sinne unseres Vorhabens einzubinden, wenn wir mit unserem Projekt eine positive Dynamik erzeugen wollen.

Wie kann man sich an eurer Arbeitsgruppe beteiligen?
Unsere ca. 30-köpfige Arbeitsgruppe befindet sich gerade am Anfang ihrer Aktivitäten. Obwohl einige Mitglieder bereits damit begonnen haben, ihre Schwerpunktthemen zu bearbeiten, gibt es noch keine klaren Arbeitsstrukturen. Wir haben Koordinatoren ernannt, die die weitere Zusammenarbeit leiten und als Ansprechpartner für die Untergruppen dienen werden. Ein Protokoll des ersten Treffens wurde verfasst und wird auf der Webseite des Varroaresistenzprojekts veröffentlicht. Wir laden herzlich dazu ein, dieses Protokoll zu lesen, sich bei uns zu melden und an unserem Projekt mitzuwirken. Es ist ein guter Zeitpunkt, um sich uns anzuschließen. Die individuellen Erfahrungen und Berichte jedes Imkers, jeder Imkerin sind wertvoll für die weitere Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

von Social Media Team

Zurück zur Newsübersicht