Interview mit Tino Lorz

Die Lufthoheit gewinnen! Projekt DD300 soll zur Varroaresistenz-Verbreitung beitragen

Interview mit Tino Lorz

Die Lufthoheit gewinnen! Projekt DD300 soll zur Varroaresistenz-Verbreitung beitragen

Der Imkerverein Dresden e.V. möchte mit dem Projekt DD300 die vererbbaren Eigenschaften „Varroa Sensitive Hygiene“ (VSH) und „Suppressed Mite Reproduction“ (SMR) in einem Stadtgebiet mit hoher Bienendichte verbreiten. Wie das genau erfolgen soll, fragten wir Tino Lorz, Vorsitzenden des Dresdner Imkervereins.

VR33: Lieber Tino, kannst du kurz die Besonderheiten von VSH und SMR erklären?
Tino Lorz: Diese Eigenschaften wurden in den 1990er Jahren entdeckt und werden seither weltweit von Imkern und Wissenschaftlern genutzt, um varroaresistente Bienenvölker zu finden und auszuwählen. Bienen mit der Eigenschaft VSH erkennen infizierte Brutzellen und räumen die Brut aus. Bei SMR wird die Vermehrung der Milben in den Zellen gestört, wodurch die Anzahl der Milben im Volk reduziert ist. Diese Fähigkeiten sind vererbte Eigenschaften, die von den Eltern auf ihre Nachkommen übertragen werden können. Imker können Bienenvölker mit diesen Eigenschaften auswählen und züchten, um so die Anzahl der Milben in ihren Völkern zu reduzieren. In Verbindung mit anderen Methoden wie der künstlichen Brutpause oder dem Einsatz von natürlichen Behandlungsmethoden zur natürlichen Reduzierung der Varroamilbe ist diese Selektion besonders wirksam.

Sind varroaresistente Völker vollständig vor Varroa geschützt?
Tino Lorz: Die Eigenschaften VSH und SMR werden rezessiv vererbt [1], weshalb es wichtig ist, die genetische Ausprägung kontinuierlich zu überwachen. Imkerinnen und Imker sollten verschiedene Methoden kombinieren, um die Varroamilbe effektiv in ihren Völkern zu kontrollieren. SMR und VSH sind dennoch vielversprechende Eigenschaften der Bienenvölker, mit denen die Varroamilbe nachhaltig reduziert werden kann.

Und die Verbreitung von Varroaresistenz wollt ihr nun mit eurem Projekt befördern…
Tino Lorz: Ja, wobei ich gleich klarstellten möchte, dass wir uns erst in der konzeptionellen Anfangsphase befinden. Das heißt, wir haben mit dem Projekt bisher „nur auf dem Papier“ damit begonnen. Ebenso stammt die Idee zu diesem Projekt nicht originär von uns, sondern wird in Luxemburg bereits praktiziert. In Deutschland wären wir auch nicht die Ersten. In Kassel wird ein ähnlich geartetes Projekt bereits dieses Jahr begonnen.

Kannst du die Projektidee kurz umreißen?
Tino Lorz: Wir wollen nach dem Luxemburger Vorbild Anpaarungszonen schaffen und dann das Modell dann auf ganze Gebiete bzw. Städte ausweiten. Dort werden Geschwistergruppen von Königinnen aufgestellt, die über diese Eigenschaften verfügen. Zu diesen Anpaarungszonen kann dann jede Imkerin, jeder Imker seine Begattungseinheiten bringen. Diese Anpaarungszonen verfügen nicht wie bei einer Belegstelle über keinen großen geschützten Radius, ebenso wird keine spezielle Gattung favorisiert. Aber es wird ein hoher Druck mit Drohen erzeugt, die über die gewünschten genetischen Eigenschaften verfügen und die in diesen Anpaarungszonen aufgestellt werden.

Aber die Paarung findet ja nicht am gleichen Ort statt, wo die Völker aufgestellt werden…
Tino Lorz: Das passiert normalerweise innerhalb eines Radius von 10 Kilometern. In diesem Bereich gibt es bei "echten" Belegstellen keine anderen Bienenvölker, die die Zuchtbemühungen beeinträchtigen könnten. Deshalb sind die geplanten Anpaarungszonen keine Belegstellen, aber es wird ein hoher Drohnendruck erzeugt. Grundsätzlich geht es darum, die Lufthoheit in der Umgebung dieser Anpaarungszonen mit SMR/VSH-Drohnen zu haben. 2023 haben wir in der Sächsischen Schweiz eine entsprechende Anpaarungszone eingerichtet. Im Radius von 5 km stehen 21 Drohnenvölker die Varroaresistenz verbreiten. Im nächsten Jahr werden es über 40 Drohenvölker sein. Diese Anpaarungszone ist ca. 50 km von Dresden entfernt und somit gut von den Imkerinnen und Imkern aufsuchbar.

Der nächste Schritt ist dann die Einrichtung von Anpaarungsgebieten. Dabei wird die gewünschte Genetik (Drohnenvölker) in das Gebiet der zu begattenden Tiere gebracht. In diesen Gebieten mit hoher Bienenpopulation werden Königinnen mit geprüfter Varroaresistenz an die Imker/-innen abgegeben und gleichmäßig verteilt. Die Imkerinnen und Imker sind dann angehalten, von den umgeweiselten Völkern verstärkt Drohnen produzieren zu lassen, um eine gewisse Lufthoheit der Drohnen mit Resistenzeigenschaften zu erreichen. Es sollen in Dresden ab 2024 ca. 300 varroaresistente Königinnen über das Stadtgebiet verteilt werden. Aufgrund der hohen Volksdichte, insbesondere in städtischen Gebieten, und der zu 95 Prozent praktizierten Standbegattung der Königinnen kann so eine schnelle Verbreitung der gewünschten genetischen Eigenschaften erreicht werden.

Warum heißt euer Projektvorhaben DD300?
Tino Lorz: DD ist die Autokennzeichen-Abkürzung für Dresden, DD könnte aber auch für Drohnen-Druck stehen. Die Zahl 300 erklärt sich aus der Anzahl der Königinnen mit Varroaresistenz-Eigenschaften, die wir in einem ersten Schritt an Dresdner Imkerinnen und Imker verteilen wollen. Wobei das Heranziehen und Verteilen von 300 Königinnen schon eine enorme Herausforderung darstellen wird. Zumal diese Königinnen ja erst einmal in Mini Plus großgezogen und dabei mehrfach auf diese Eigenschaft geprüft werden müssen, bis wir sie weitergeben können. Wir bitten dann ausgewählte Imkerinnen und Imker, die über das ganze Stadtgebiet verteilt sind, ihre Völker mit den Königinnen umzuweiseln. Ebenso bitten wir darum, bei nicht resistenten Völkern möglichst wenig Drohnen produzieren zu lassen, z.B. durch das Drohnenbrut-Schneiden zur Varroabekämpfung. Je weniger Drohnen im Luftraum unterwegs sind, die nicht über Varroaresistenzeigenschaften verfügen, umso besser können sich natürlich die mit den gewünschten Eigenschaften durchsetzen und zur Begattung kommen.

Wie wollt ihr den Erfolg des Vorhabens messen?
Tino Lorz: Perspektivisch planen wir regelmäßig Proben von rund 100 Bienenständen im Anpaarungsgebiet zu nehmen. Dies soll im August erfolgen und betrifft Waben mit Bienenpuppen im passenden Entwicklungsstadium. Zunächst frieren wir die Waben ein und untersuchen sie dann auf Milbenbefall in der Brut. Es muss dafür noch eine Untersuchungsstelle mit einem Team geschaffen werden. Auf unserer Webseite planen wir ein Online-Tool einzurichten, damit Personen, die VSH-Königinnen besitzen, Daten über zu ihren Völker wie z. B. die  Milbenbelastung eingeben können.

Mit welchen Kosten ist das Projekt für die Imkerin, den Imker verbunden?
Tino Lorz: Die Königinnen werden zu einem niedrigen Preis angeboten. Besonders für die kleinen Imker/-innen ist das ideal. Es ist dann nicht mehr nötig, Königinnen im Internet zu bestellen oder selbst nachzuziehen. Stattdessen bekommen Sie durch das Projekt hochwertige Bienenköniginnen zur Verfügung gestellt.

Was sind nun die konkreten nächsten Schritte des Projekts?
Tino Lorz: Bisher sind wir in der Ideenphase und  sind dabei Finanzierungsmöglichkeiten erkunden. Wir haben einen klaren Plan für das Projekt DD300: Wir wissen, dass die Züchtung und Verbreitung von Bienen mit Varroaresistenz die einzige nachhaltige Methode zur Bekämpfung dieser Milben ist. Es geht darum, unsere regionalen angepassten Bienenpopulation zu behalten und mit einer weiteren Eigenschaft anzureichern.

[1] Eine rezessive Vererbung bedeutet, dass ein Merkmal nur dann ausgeprägt wird, wenn beide Elternteile eine Kopie des entsprechenden Gens an ihr Kind weitergeben

Die Abbildung zeigt das Schema zur Zucht und Verbreitung von Varroaresistenz - Die Anpaarungsgebiete und Anpaarungszonen (rot) spielen dabei eine ganz entscheiden Rolle für den Erfolg.

von Social Media Team

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