Interview mit Paul Jungels zur Frage, warum die natürliche Selektion der Schlüssel zur widerstandsfähigen Biene ist
„Ein Volk ist ein Volk: Es gilt zu beobachten und zu bewerten, statt blind zu behandeln“
Interview mit Paul Jungels zur Frage, warum die natürliche Selektion der Schlüssel zur widerstandsfähigen Biene ist
Paul Jungels ist Berufsimker in Luxemburg und blickt auf mehr als 45 Jahre Erfahrung mit der Buckfast-Biene zurück. Als Varroaresistenz-Züchter der ersten Stunde hat er bereits herausragende Ergebnisse erzielt und dazu ein Buch veröffentlicht. Er meint: Die Zucht varroaresistenter Bienen erfordert mehr als nur Geduld - es ist eine komplexe Mischung aus genetischem Feingefühl, Beobachtung und einem radikalen Umdenken in der Imkerpraxis. Wir sprachen mit ihm über seine Rückschläge, Erfolge und den langen Weg zur Varroaresistenz – und warum er der Ansicht ist, dass Behandlungen oft mehr schaden als nutzen.
Lieber Paul, seit wann züchtest du varroaresistente Bienen und wie kam es dazu?
Paul Jungels: Bereits Anfang der 1980er Jahre beobachtete ich auf einem Stand, dass verschiedene Herkünfte der Buckfastbiene unterschiedlichen Befall zeigten. Über die Gründe hierzu wurde damals nicht viel gewusst. Ab Anfang der 1990er Jahre begann ich die präzisere Auslese am Phänotyp. Als Maßstab diente der Milbenabfall auf dem Bodenschieber nach der Behandlung Anfang August. Ich führte stets als einzige varroareduzierende Maßnahme eine Behandlung im Jahr in der ersten Augusthälfte durch. Ohne weitere Behandlung sieht man im Folgejahr die Unterschiede ab Mitte Juli und kann Schlüsse daraus ziehen. Wer im Jahresablauf mehrfach varroareduzierende Maßnahmen ergreift, wird nie die Unterschiede sehen können. Nebenbei, aber nicht weniger wichtig: Das Bienenvolk selbst manifestiert sein Resistenzpotential nie, selbst wenn die Genetik hierfür ganz oder teilweise gegeben ist, wenn man laufend intensiv gegen Varroa vorgeht. Das nennt man heute Epigenetik.
Welche Bienenrassen verwendest du in deiner Zucht? Gibt es bestimmte Rassen, die besonders resistent gegen die Varroamilbe sind?
Die GdeB hat unter meiner damaligen Verantwortung als Zuchtkoordinator 2001 von Prof. Dr. Rinderer die Primorskybiene aus den USA importiert. Leider hat außer Josef Koller und mir das meines Wissens niemand lange verfolgt. Die Imker wollen schnelle Erfolge sehen. Das geht in der Genetik aber nicht. Später, 2012, habe ich von Dr. Bob Danka VSH-intensiviertes Sperma bezogen.
Welche Zuchtmethoden und Auswahlkriterien verwendest du, um die Varroaresistenz zu fördern?
Nach 11 Jahren Zuchtarbeit an den Primorsky x Buckfast-Kreuzungen auf Überlebensständen, wurden diese mit dem VSH-Sperma von Bob Danka gekreuzt. Als Auswahlkriterien dominierten in dieser Phase die Varroaresistenz und deren Kombination mit der Überwinterungsfähigkeit der Buckfastbiene. Die Überwinterungsfähigkeit dieser Kreuzung war nicht besonders, sie brüteten den ganzen Winter über.
Hätte ich weiter Buckfast eingekreuzt (F2, F3), hätte ich die Resistenz wieder verloren. In einer Reihe von Inzuchtgenerationen hingegen, darunter auch die bekannten „Tante-Neffenpaarungen“, fanden sich die notwendigen Aufspaltungen mit den Neukombinationen: Varroaresistenz verbunden mit langen Winterbrutpausen und vielen weiteren wichtigen zehn Buckfast-Eigenschaften wie Sanftmut, Schwarmträgheit usw., die schrittweise wieder ausgelesen wurden.
Wie lange dauert es, bis eine Zuchtlinie ausreichende Varroaresistenz zeigt?
Wie erwähnt erfolgte zuerst Selektion am Grundstamm und dann entsprechende Einkreuzungen, die anschließend separat geführt wurden. Die oben genannten Kombinationen jedoch hinzubekommen dauerte lange, jeweils etwa acht Jahre. Das war verbunden mit vielen direkten und indirekten finanziellen Einbußen, vom Arbeitseinsatz ganz zu schweigen. Die Technik der sD-Besamung von John Harbo als Filter, und die Überwinterung der Eliten dieser Königinnen nach den Infizierungen und Auszählungen, haben wir zusammen mit den belgischen Kollegen und mit ARISTA zur Praxisreife gebracht. Namhafte Fachleute meinten, man könne diese Königinnen nicht überwintern, um im Folgejahr erst nachzuziehen. Wie ich heute merke, wird hier noch manches missverstanden. Leider werden auch die inzwischen bekannten Arbeitsprotokolle verwässert oder zerredet. Aber dann kommt man eben nicht oder sehr langsam zum Ziel.
Wie wird sichergestellt, dass die Varroaresistenz in der Bienenpopulation erhalten bleibt?
Durch ständige Auslese, vor allem auch der Drohnenvölker für die Besamung/Belegstellen des Grundstammes. Bei Drohnen gibt es keine Inzucht, sie sind ja haploid. Sie sind gut oder schlecht bezüglich der in Frage kommenden Merkmale. Es genügt in der aktuellen Phase der Resistenzzucht nicht, nur das Vatervolk zu testen, sondern die Drohnenvölker (Töchter von…) müssen entsprechen. Ausgelesen werden sie nach Infizierung und Auszählung der Brut gemäß dem bekannten Protokoll, auch bei mD-Völkern, die natürlich im Folgejahr als Ertragsvölker dienen und dem entsprechenden Standard nachkommen müssen. Wurde bei potenziellen Drohnenspendern im Geburtsjahr der Königin nicht ausgezählt, geschieht dies im August/September nach dem 1. Leistungsprüfungsjahr: Im August, nach Beenden der Drohnenaufzucht der Völker, sollte die ältere Brut, ab dem 17. Tag etwa, nicht stärker als 4% befallen sein, 50% dieses Befalls als nicht reproduktiv. Voraussetzung: keine Drohnenbrutentnahme, keine Ablegerbildung, keine Brutbegrenzung oder Käfigen der Königin, keine künstlichen Brutpausen, keine Sommer- oder Winterbehandlung. Ein Volk ist ein Volk. Es gilt es zu beobachten und zu bewerten, statt blind zu behandeln.
Welche Ursachen machen deine Bienen resistent gegen die Varroamilbe? Ist es "nur" die DNA? Kommen andere Kriterien hinzu?
Zuerst wäre es interessant, das was auf Vererbung beruht, zumindest versuchen zu bestimmen:
- Varroa sensitive Hygiene (VSH) bleibt das wichtigste Merkmal. Es ist jedoch nicht gleichzustellen mit der gewöhnlichen Bruthygiene. Meinen Ergebnissen zufolge haben aber varroaresistente Völker auch eine hohe Bruthygiene. Andersherum funktionierte die Auslese bei uns nicht. Das Erkennen der Milben in der Brut ist wohl etwas anderes, das Ausräumen u.U. gleich.
- Ein weiteres Merkmal ist die Gegebenheit, dass in etlichen Völkern die Milben die Brut nicht erkennen (fehlende Kairomone, artübergreifende Botenstoffe?). Wie anders ist es zu erklären, dass in einigen Völkern trotz hohem Milbenbefall der Bienen nach der Infizierung aber auch bei Reinvasion von außen, keine oder kaum eine Milbe in der Brut zu finden ist? Das Phänomen habe ich 2014 zuerst gesehen. Es trat seither sporadisch in den Testvölkern auf, 2024 allerdings stark. Das lässt hoffen, dass es erblich bedingt sein könnte.
- Die fehlende oder verzögerte Entwicklung der Milben in der Brut (SMR) ist vielleicht Teil der fehlenden Kairomone und mit Sicherheit ein Ergebnis von VSH: wenn sich vermehrende Milben ausgeräumt werden, bleiben nur das „Grundrauschen“, die etwa 20% solitären Milben übrig.
Die beiden ersten Merkmale haben eines gemeinsam: Die Arbeiterinnenbrut, die Zukunft des Bienenvolkes, bleibt gesund trotz Milben im Volk, der Befallsgrad geht nach einer Infizierung oder Infektion von außen innerhalb weniger Brutgenerationen wieder zurück auf unbedeutende Werte. Voraussetzung bleibt in jedem Fall, dass der Imker die unsäglichen Varroabehandlungen das ganze Jahr über schrittweise zurückfährt resp. mit diesen dann ganz aufhört.
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die genetische Vielfalt in deiner Zucht aufrechtzuerhalten?
In der Tat ist die Genetik der Bienen unseres Grundstammes recht eng. Jährlich werden aber neue Linien separat geprüft. Diese kommen in der Regel von befreundeten Züchtern, die ganz ähnliche Ziele verfolgen. Mittels sD-Besamung, Infizierung und Auszählung wird zuerst der Resistenzgrad einer F1-Kreuzung mit meinen Bienen ermittelt. Bei positiven Ergebnissen kann solches Zuchtmaterial nach weiteren getesteten Generationen als Drohnenlinie verwendet werden. In keinem Fall würde ich fremde Genetik einfach so mal einkreuzen. Sämtliche Resistenzmerkmale vererben, soweit man heute aus Erfahrung weiß, rezessiv. Das bedeutet, dass sie von Mutter- und Vaterseite (= reinerbig in Bezug zu den Merkmalen) im Erbgut der Arbeiterinnen der Zuchtvölker vorhanden sein müssen.
Wie effektiv sind deine Bienen im Vergleich zu nicht-resistenten Bienen, wenn es um die Bekämpfung der Varroamilbe geht?
Wir behandeln seit sieben Jahren die Zuchtstation und seit vier Jahren die Ertragsvölker nicht und haben kaum Verluste durch Milben. Als Vergleich zu alldem dient eine alte nicht selektierte Linie mit acht bis zehn Völkern auf einem separaten Stand. Hiervon ernten wir nicht nur etwa 10.000 Milben für die Infizierung der Testreihen auf der Zuchtstation, sie müssen im August trotzdem mit dem AS-Verdunster behandelt werden. Die Völker auf der Zuchtstation trotz diesem „Milbenimport“ aber nicht! Weiseln Ertragsvölker in „fremder Umgebung“ um, müssen die i.d.R. auch behandelt werden. Ich komme dem meistens zuvor, indem sie durch eine neue Königin von der Zuchtstation wieder „auf Kurs“ gebracht werden. Das Ganze hat sich bereits 2018 bei einer externen wissenschaftlichen Prüfung durch das französische INRA/ISTAP angekündigt und ist inzwischen durch viele Tausend Völker in der praktizierenden Imkerschaft im In- und Ausland bestätigt.
Gibt es Unterschiede in der Honigproduktion zwischen varroaresistenten Bienen und anderen Bienen?
Nein, nicht merklich, das ist ein Märchen. Ja, wenn man die Inzuchtlinien in der Entwicklung mit Linien mit viel Heterosis vergleicht, logisch. Da macht aber Varroaresistenz keine Ausnahme.
Wie verhalten sich deine varroaresistenten Bienen in Bezug auf andere Krankheiten oder Parasiten?
Besondere Krankheitsanfälligkeit der Bienen habe ich nicht beobachten können. Eher im Gegenteil. Sicher ist, sie sind sehr reinlich bezüglich Bruthygiene. Daher möchte ich die von Marla Spivak beschriebene Resistenz gegenüber AFB einmal austesten. Frau Dr. Spivak beschrieb Faulbrutresistenz in ihren Versuchen nach Ausräumen der mit Stickstoff getöteten Brutteile (nicht vergleichbar mit dem Nadeltest) nach 48 Stunden. Hochprozentig varroaresistente Bienen räumen bei der gleichen Methode im Schnitt nach 15 bis 18 Stunden aus.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Zucht von varroaresistenten Bienen?
Man braucht einen langen Atem, muss also sehr beharrlich viele Jahre am Ziel arbeiten. Heute sind die Verfahren, die zum Ziel führen, zwar publik, aber ich sehe, dass wirklich nur wenige Imkerzüchter die notwendige Ausdauer haben. Das ist schade. Viele meinen heute zudem, sie müssten ständig hin und her kreuzen. Das führt derzeit nicht zum Ziel.
Gibt es negative Eigenschaften, die mit der Varroaresistenz einhergehen, wie z.B. Aggressivität oder verringerte Produktivität?
Bezüglich Aggressivität ein klares NEIN. Diese Ansicht gehört mit Sicherheit in den Warenkorb „Märchen“ und wird von Theoretikern vertreten, die aus praktischer Sicht keine Erfahrung mit Resistenzzucht haben. Bei der Produktivität muss man mehr in Betracht ziehen als die absolute Honigleistung pro Volk. Obwohl diese bei uns im Betrieb heute nicht wirklich schlechter ist, als die bei den Original-Importen der 1980er Jahre aus Buckfast-Abbey, ist mein Ziel umrissen mit „billiger Dauerleistung“. Das betrifft übrigens auch meine Betriebsweise.
Wie reagieren deine Kunden oder andere Imker auf die varroaresistenten Bienen? Es gibt ja nicht nur positive Rückmeldungen. Die negativen - welche sind das, woher rühren sie?
Direkte Kunden habe ich wenige, da wir nicht Königinnenverkäufer sind. Aber diejenigen, die das Prinzip verstanden haben, sind begeistert – und damit meine ich nicht nur meine Kollegen im Kantonalverein Vianden unter der Leitung von Pol Bourkel, wo kaum noch behandelt werden muss. Das sind nach 40 Jahren Dauerberieselung über notwendige Behandlungen ganz neue Momente. Problematisch ist immer, wenn Leute das Prinzip der rezessiven Vererbung nicht verstanden haben oder unbedacht meinen, „Superbienen“ von hier und von dort zu kreuzen und dann keine guten Ergebnisse sehen. Das Gleiche trifft zu, wenn Imker sich von den intensiven Behandlungen nicht lösen können. Ganz besonders die Oxalsäure, egal in welcher Form, macht etwas mit den Bienen, was den Ausdruck jeglicher genetisch bedingten Resistenz verhindert. Mir ist kein Imker bekannt, der mit Oxalsäure behandelt und sich von der Behandlung lösen kann. Die Resistenzgenetik die heute erreicht ist bietet die Möglichkeit, schrittweise die Behandlungen einzustellen. Man muss den Bienen dann aber auch die Chance geben zu reagieren. Wer meint, ein gesundes Wintervolk im September wegen 50 Milben auf dem Bodenschieber mit Oxalsäure behandeln zu müssen, hat die Mechanismen von Genetik und Epigenetik nicht verstanden. Winterbehandlung ist tabu. Genauso die hochgepriesenen OX-Verdampfungen.
Hast du Veränderungen in den (sonstigen) Eigenschaften der Bienen über die Jahre festgestellt, die auf Varroaresistenz gezüchtet wurden?
Die sD-Besamung eröffnet eine Einsicht in die Genetik einer Bienenpopulation, die anders nicht möglich wäre. Dies, weil der Phänotyp (= das was man sieht) der Eigenschaften des einzigen Drohns mit seinen drei Millionen identischen Spermien, in der Samenblase einer solchen Königin nicht überdeckt ist durch die Eigenschaften, die weitere Drohnen vermitteln. So konnte ich die gelegentlich aufgetretene Kalkbrut bei meiner Buckfast bereits in den ersten Jahren der sD-Besamung ganz ausmerzen, weil sie ganz offen zutage trat in einzelnen Völkchen. Der größte Unterschied zu früheren Jahrzehnten ist aber zweifelsfrei die Tatsache, dass geschlossene gedeckelte Brutflächen zu fast allen Jahreszeiten der Vergangenheit angehören. Resistente und hygienische Bienen finden offenbar immer Brutzellen, die sie öffnen und ausräumen. Da sind nicht immer nur Milben drin, die die Biene stören. Für die Imkerpraxis hat dies keine Bedeutung, es sei denn die Bienen räumen viel Brut mit Krankheitserregern aus, weil die Brut des betreffenden Volkes für Brutkrankheiten (z.B. Viren) besonders anfällig ist. Solche Völker schließt man von der Vermehrung aus.
Welche zukünftigen Entwicklungen erwartest du in der Zucht von varroaresistenten Bienen?
Ich bin gespannt auf die Reaktion dieser Bienen beim Eintreffen von Tropilaelapsmilben. Aber dies möge vom mir aus lange dauern. Seit 40 Jahren wird uns eingetrichtert, was wir bezüglich Varroa zu tun hätten. Allein an diesem Beispiel sieht man, was einseitige Dauerberieselung bewirkt: Heute kommen viele Imker trotz der Existenz resistenter Bienen nicht los von diesem Behandlungszwang. Das muss überwunden werden.
Was sagst du zum Argument der Verarmung der genetischen Vielfalt durch eine solche Zucht?
Genetische Breite wahren ist wichtig, das weiß jeder. Die größte genetische Verarmung wäre allerdings eingetreten, hätte man in Westeuropa auf jegliche Behandlung verzichtet, die Natur das machen lassen. Dann wären über viele Jahre lang mehr als 90% der Völker verendet, aus dem einfachen Grund, weil in den europäischen Varianten von Apis mellifera wenig Resistenzgenetik war, und vielfach noch immer wenig ist. Die Buckfast ist genetisch sehr breit aufgestellt. Die Carnica wohl auch, wenngleich ich hier Selbstbeschränkung sehe. Ich stelle das fest ohne zu werten! Bei der dunklen Biene bin ich diesbezüglich ratlos, weil mir die Erfahrung fehlt. In jedem Fall und bei jeder Bienenherkunft ist es sinnvoll, ggf. die geschlossene Population öffnen zu können zwecks Einfügung neuer wichtiger Merkmale, falls dies notwendig ist. So erhält man die Vielfalt an Bienenstämmen. Wenn des Weiteren viele Imker an vielen Stellen Resistenzmerkmale herausfiltern, ist dies der optimale Weg, die Vielfalt zu erhalten. Fachwissen anstelle von Ideologie, dann kommen wir weiter. Vielfach wird sD-Besamung aus Unwissen kritisiert. Wer behauptet, sD-Besamung schränke grundsätzlich die genetische Vielfalt ein, was durchaus so diskutiert wird, argumentiert nicht korrekt. Dies passiert bewusst, um die Resistenzzucht schlecht zu reden oder aus Unwissen heraus. Beides ist inakzeptabel, wenn dabei die Fakten verdreht werden. Bei einer Nachzuchtkönigin aus einem "Naturvolk" mit 20 nicht verwandten "Vätern" (die Drohnen, welche die Volksmutter begatteten, und deren Sperma sich in der Spermatheka dieser Volksmutter befindet und das Volk, genauer: dessen Arbeiterinnen genetisch zu 50% ausmachen, auch bei diesem Naturvolk ist die Restkönigin, etwa nach einem Schwarmabgang oder nach stiller Umweiselung, nur ein Ei der Volksmutter (von 65.536 möglichen Varianten) und ein Spermatozoid von einem der ~ 20 Drohnen aus der Samenblase der Volksmutter. Mehr nicht, der Rest an Genetik und damit an genetischer Information und Variation dieses Volkes ist verloren und weg. Das ist der Fakt. Viele Nachzuchten von diesem Volk würden wiederum mehrere Möglichkeiten und somit mehr Variationen von diesem Volk erhalten.
Vielfalt kommt wieder über die Drohnen ins Volk. Daher ist einschränkend hierzu zu sagen, dass auf öffentlichen Belegstellen Drohnenvölker aus nur einem sD-besamten Vatervolk alle Superschwestern sind. Das ist suboptimal und sollte und kann vermieden werden.
Wie lange wird es deiner Meinung nach dauern, bis sich varroaresistente Bienen in Deutschland, Europa verbreitet haben, so dass die Varroamilbe keine "existenzielle" Bedrohung für Imker und Bien mehr darstellt?
Bis 2033, wenn alle Zweifler und „Miesmacher“ mitarbeiten, statt zu stänkern ;-).
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen Partnern (Dachverbänden, Forschungseinrichtungen usw.) bei deinen Zuchtbemühungen?
Ich schaue das nun allgemein, also nicht speziell nur meine persönlichen Bemühungen. Die GdeB fördert das Vorhaben der Resistenzzucht, Chapeau! Der DIB und der DBIB und der internationale Sklenarbund wohl auch. Bei anderen Verbänden bin ich schlecht informiert. Aber viele Zuchtverbände begeben sich in allen Ländern auf den Weg, siehe die Logos bei Varroaresistenz 2033. Der luxemburgische Verband FUAL hat das Projekt zunächst 10 Jahre lang gefördert. Finanziell hat das den Verband so gut wie nichts gekostet. Die Projekte der sechs von zwölf Kantonalvereine waren immer gut gegenfinanziert durch co-finanzierte EU-Gelder, Mittel aus dem Staatshaushalt und einen Sponsor. Die heutige Verbandsführung unter der Präsidentschaft von Frau Alexandra Arendt hat sich nicht nur vom internationalen Projekt Varroaresistenz 2033 distanziert, auch in Luxemburg selbst erleben wir von der Verbandsführung her eisigen Gegenwind bis hin zu Mobbing gegenüber einzelnen Personen. Meine persönliche Meinung hierzu: Die Führung meines Imkerverbandes hat sich in ganz Europa damit der Lächerlichkeit Preis gegeben.
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass Imker (in Europa) immer noch nicht genug über die varroaresistente Biene wissen?
Ist es so? Sind es nicht Imker, die die Angelegenheit in der Praxis vorangebracht haben? Sind informierte Imker nicht längst weiter als einige ihrer Vereins- und Verbandsführer? In einem Punkt hast Du recht: Das Niveau der allgemeinen imkerlichen Ausbildung ist heute im Vergleich zu meinen Anfangsjahren als Imker in vielen Bereichen im freien Fall. Anstelle von Wissen treten heute in Imkervereinigungen oft Ideologie und Dogmatismus. Daraus entsteht dann eben Polemik und Demagogie. Das alles ist einfacher als sich mühselig Wissen anzueignen, weil es mehr Aufmerksamkeit erregt. Informierte und wissende Menschen sind hingegen nahezu resistent gegenüber diesen Auswüchsen, wie wir sie leider heute in vielen Bereichen erleben. Daher sind wissende Menschen, auch wissende Imker, eine Gefahr für manipulative Kräfte in den Organisationen, in der Gesellschaft und in den Institutionen. Sie werden oft bekämpft oder wie man heute sagt, gemobbt. Das ist auch dem sogenannten „Semmelweis-Reflex“ zuzuschreiben, der besagt, dass „das Establishment neue Entdeckungen quasi reflexhaft, ohne ausreichende Überprüfung erst einmal ablehnt und die Urheber eher bekämpft als unterstützt, wenn sie weit verbreiteten Normen oder Überzeugungen widersprechen“. Werden Falsch- und Fehlinterpretationen verbreitet, sollten wir uns dem stets in den Weg stellen, weil wir das einfach tun müssen. Denn dann können wir dem was da kommt gelassen entgegensehen.
Galerie
Bilder 1 und 2 © Jungels
Während die Buckfast fest in der isolierenden Wintertraube saß, bildeten die VSH-Kreuzungen keine Wintertraube, sie waren auch sonst ungemein verschwenderisch.
Bild 3 © Jungels
2014, erste Auszählung von infizierten Völkern mit sD besamten Königinnen. Von links: Renaud Lavend´Homme, dann die Familie Fernhout. Die Methoden von John Harbo aus den USA mussten an unsere klimatischen Gegebenheiten angepasst werden, es wurde viel diskutiert. Die größte Herausforderung ist bis heute, die „Eliten“ bezüglich aller angestrebten Zuchtziele so zu führen, dass sie trotz geringem Spermavorrat der Königin im Folgejahr als Zuchtvölker dienen können. Ich habe alle Schritte im Video „Arbeitspakete eines Resistenzzuchtprogramms“ erklärt und begründet.
Bild 4 © Jungels
Fanny Mondet (FR-INRA) erforschte die grundlegenden Auslöser, die zur Varroa_ Sensitiven_Hygiene bei Honigbienen führte. Hier bei einem Besuch mit ihrer Forschungsgruppe an einem unserer Überlebensstände im Frühjahr 2015.
Bild 5 © Jungels
Auch Prof. Bienefeld interessierte sich für unsere Überlebensstände. In roter Jacke ist Bernard Sauvager, rechts Jos Guth.
Bild 6 © Jungels
Hygienetests nach der Methode von Marla Spivac zusammen mit Jean-Marie van Dyck: Freunde in stürmischer Zeit, „nicht nur für eine Seite im Buch, nicht für ein Kapitel im Buch sondern für ein ganzes Lebensbuch“. Im Dienst an der Imkerei ging Jean-Marie stets bis an seine Grenzen.
Bilder 7 und 8 © Jungels
Manche Völker erkennen und öffnen tote Brut, vergessen aber auszuräumen. In anderen hingegen sind nach 14 Stunden bereits wieder Eier drin. Bruthygiene, so wichtig sie ist, hat bei uns nicht zu Varroaresistenz geführt.
Bilder 9 und 10 © Jungels
Erkennen, Öffnen und Ausräumen im Alter weißer Puppen, dann sind die Völker resistent.
Bild 11 © Lavend´Homme
Soweit darf es nicht kommen: Die Milbenfamilie ist komplett.
Bild 12 © Jungels
Zeit opfern für was? Nochmals 40 Jahre lang behandeln? Oder die resistenten Völker ausmachen und miteinander verpaaren?
von Social Media Team